Dienstag, den 17. Februar 2015 17:36 Alter: 5 Jahr(e)

Radeburger Volkskarneval Überraschung durch die Livestream-Brille: die Jury ist gerecht!

Kategorie: Radeburg und Umgebung

VON: KLAUS KROEMKE

Zum ersten mal seit 35 Jahren habe ich den Umzug nicht live auf der Straße, sondern im Livestream am Computer verfolgt. Der Livestream wurde auf MDR+ übertragen, also nicht im „richtigen“ Fernsehen, sondern im Internet. Die technischen Voraussetzungen sind deutlich geringer, kostengünstiger für den MDR, nichts desto Trotz arbeiten Profis hinter den zwei Kameras, am Regiepult und am Mikrofon. Ich muss sagen: dieser verfremdete Blick auf das Ereignis hat seinen ganz eigenen Charme. Ihr werdet es verstehen, wenn ihr in die Mediathek schaut – den Link findet ihr unten. Erkenntnisgewinn durch „nur dabei, statt mittendrin.“

Sieger in dieser Saison: die Gruppe Michael Mösch (Radeburg)
Sieger in dieser Saison: die Gruppe Michael Mösch (Radeburg)

Ihr Motto: Die besten Geri(ü)chte kommen aus der schäbigsten Küche
Ihr Motto: Die besten Geri(ü)chte kommen aus der schäbigsten Küche

Ich habe also am Computer wie die Jury und wie MDR-Moderatorin Anja Köbel die Umzugsgruppenliste mit den freiwilligen Angaben der Gruppe und Platz für Notizen. So vote ich für mich mit und schildere nun hier den Eindruck, den der Umzug vom Sessel aus macht, auch ein Bissel mit dem Hintergedanken, dem MDR erklären zu können, dass es sich doch lohnt, den Umzug im „richtigen“ Fernsehen zu zeigen. Über die Moderatorin staunte ich zum ersten nicht schlecht, weil man aus den wenigen Informationen, die die Gruppen auf dem Anmeldebogen von sich geben, nicht viel machen kann. Es war wie auf der Glatze Locken drehen. Sie hatte ein erstaunliches Hintergundwissen und führte unterhaltsam durch den Umzug. Da ziehe ich tief meine Narrenkappe!

Den RCC und seine Bestandteile vorzustellen, war vielleicht noch recht einfach. Es wird das Ritual durchgezogen, angefangen bei den Kinder-Tollitäten bis hin zur Narrenpolizei. Die kleinen Schüler sind gar nicht dabei, warum eigentlich nicht? Weil es den Zug in die Länge ziehen würde? Optisch präsenter wäre das Ganze, wenn alle Garden einen großen Block bilden würden. Ein bisschen Choreographie wäre schön.

Dann kommt eine Phase, wo man zu Hause auf dem Sofa die Chips-Tüte und das Bier holt. Zwischen den langen Wiederholungen der närrischen Gefolgschaften in Form der befreundeten Vereine kommt – ganz anders als wenn man selber auf der Straße steht – an der Mattscheibe jedenfalls „Länge auf“. Beinahe verpasst man dazwischen die kleine, aber feine Gruppe der Simpsons. Die bekommen von mir mal **** (vier Sterne), das wäre am Ende eine Platzierung zwischen 10 und 20. Mal sehen, was noch kommt. Tatsächlich wurden sie exakt Zwanzigster, weil sich herausstellte, dass es wieder einen Niveauschub in der Breite gegeben hat.

Dramaturgisch gesprochen fehlte aber in den ersten 20 Minuten ein echter Knaller. Aussage vom Umzugsaktiv: „die Gruppen haben in der Regel Wünsche, was ihre Startnummer angeht, und wir erfüllen die.“ Nur kommen die dann eben nach einer Zeit, wo man am Fernsehen vielleicht schon weggezappt hat. Umzugsaktiv: Ja, aber wenn die guten Nummern vorn schon kommen, laufen uns die Zuschauer vom Straßenrand weg.“ Auch wahr, aber vielleicht wäre eine bessere Verteilung der Top-Nummern auch mal eine Idee. Dann fängt es langsam an, mit Nummer 16 "Die schweinischen Gerüch(t)e". Im Fernsehen sieht man ein kleines Schweinekarussell auf dem Anhänger, aber ob man das auf der Straße sieht? Ich gebe zum zweiten Mal **** (vier Sterne). Tatsächlich wird es der 22. PLATZ.

Nach dem „Moritzburg Casino“ steigern wir uns weiter. Tolle Hexenkostüme fallen auf, ist aber vielleicht zu wenig? Ich bleibe vorsichtig bei **** - schätze so Platz 10 bis 15, denn am Ende wird es der 8. PLATZ. Vielleicht habe ich die Gruppe zu wenig gewürdigt, weil gleich danach kommt der erste echte Kracher: 19 Haialarm... Dank guter Zuarbeit bei der Gruppenanmeldung kann der MDR mitteilen: „Peter W. Hat nach der Auflösung seines Ladens Fischreste im Röderstausee verklappt – und daraus wurden jetzt diese Monster! Zum ersten mal gebe ich *****, vielleicht ist das am Ende die Nr. 1! - Es wird 3. PLATZ, weil tatsächlich noch zwei bessere Nummern kommen.

Einmal was Negatives darf auch gesagt werden: lieber Spielmannszug Ortsrand (Nr. 20), so geht das nicht. Einige hatten Narrenzeichen, die meisten, vor allem die Kinder, liefen in ihren Alltagsklamotten. Wenn Euch Fasching so wenig Spaß macht, solltet ihr zu Hause bleiben! Das mit Abstand schlechteste, was an diesem Tag gezeigt wurde.

Wiederum eine Nummer zum Mit-der-Zunge-Schnalzen lieferten Uwe Lehmann und Co. (Nr. 26) ab. Sie entdeckten Nessi im Stausee und brachten sie gleich mit. Auch originell: das Boot als Wippe. Sehr sehenswert. www.schwanzgesteuert.de stand bei der Bestie dran, ist das nur ein Fake, habs gleich getestet. Jedenfalls ***** und bisher waren wohl nur die Haie besser. Ich rechne hier mit Platz 4 oder 5, aber das noch so viele gleichwertige Gruppen kommen würden, damit war bis hier nicht zu rechnen. Am Ende wurde es Platz 7.

Erstmals dabei war Annahütte, ältester Karnevalsklub Brandenburgs. Ihre Guggemusikanten hatten schon öfter unser Ohr erfreut, aber am Umzug konnten sie nie teilnehmen, weil sie vertraglich verpflichtet sind, in Cottbus anzutreten. Diesmal startete Cottbus eine Woche früher und so ergab sich die bisher einmalige Chance. So stellt man sich närrisch aufspielende Musikanten vor! Chapeau!

Die 28, die Marionetten, von Gerüchten gesteuert, haben schöne weiße Gesichter, die wie Masken wirken. Eine tolle Interpretation, verdient einen Maskenbildner-Sonderpreis! Dazu ganz tolle Kostüme, Christina Angermann! Der Wagen, liebevoll mit Radeburgmotiven bemahlt, ist trotzdem ein bisschen der Schwachpunkt, denn er sagt nichts zum Thema aus. Ich gebe ****, weil ich aufpassen muss, wir sind noch nicht einmal bei der Hälfte. Es ist ein Grenzfall. Vielleicht genau auf 10? Am Ende wird es Platz 14.

Die Laußnitzer (29) sind seit 60 Jahren berühmt für Weiberfasching und Auskehr am Sonnabend NACH Aschermittwoch, erfahre ich von Anja Köbel. Aha. Wusste ich noch gar nicht.

„Kein Gerücht!!! Es ist wahr - wir sind dabei das letzte Jahr,“ sagt die Gruppe 30 um Sylvia Wachtel, die Moderatorin sagt „um Katrin Wiediger“ - stimmt auch, aber da staune ich. Steht nicht auf dem Zettel! Anja Köbel kennt sich halt aus in der Gegend. Zum letzten Mal sind die Berbisdorfer also dabei und geben eine Reminiszenz in Kostümen ihrer glanzvollen Ära. Ich bewertete das nicht, weil ich dachte, da würde die Jury auch kaum Punkte drauf geben - kein einheitliches Bild usw. Doch, sagt die Jury und vergibt an sie immerhin 12. PLATZ.

Wo es um Gerüchte geht, ist die „Lügenpresse“ nicht fern. Das Unwort des Jahres 14 wird vermieden. Danke. Die tippende Zunft wird aber trotzdem gehörig durch den Kakao gezogen. Die Gruppe 32 mit ihrer Riesen-Druckpresse und den wandelnden Schreibmaschinen tippe ich mit *****, für mich bis hier Platz 2. Am Ende kommt PLATZ 5 heraus. 33 Marktbrunnen als Gerüchtequelle "bester Wagen überhaupt" filigran sagt der Elferrat (toller Text!) tolle Kostüme bis hier 2. Platz für mich, am Ende bei der Jury Platz 3. Auf das gleiche Thema kommt die 51, „Gerüchteküche wie gedruckt“ aus Freitelsdorf! Die zusammengeklebten Zeitungen sind eine Fleißarbeit, Wahnsinn, leider schlecht zu lesen während eines Umzugs. Der Wagen mit der Litfasssäule ist nicht ganz so „vollendet“. Das wird Punkte kosten. Vielleicht knapp vorbei an den Top 20, vermute ich. - Es wird genau Platz 20.

Die Ex-Funkenschnitten (Nr. 34) sind wieder mal ein echter Hingucker. Es ist eine reine Laufgruppe. Solche schaffen es aber selten in die Top10. Also schätze ich ****+, also da ganz vorn. Richtig. Am Ende 11. PLATZ.

Sofort geht der Blick weiter zur 35, dem Gerüchteroulette. Ein meisterliches Gesamtkunstwerk, alles passt zusammen, die Kostüme, der Wagen mit dem gigantischen Roulettetisch, die Roulettehüte. Ganz klar ***** von mir. Am Ende kommt 8.PLATZ heraus. Vielleicht eine Nuance unter Wert. Gleich darauf die Reißschüssel, 36. Was für eine geniale Idee von Frank Grütze Ebersbach & Co., Marshmallows als „vergrößerten“ Reisersatz zu nehmen... Da wir schon so viele Top10 haben, meine ich, andere waren aber bissel besser, ich sehe sie auf dem Level wie die Funkenschnitten, ****+ also ca Platz 10. Die Jury sieht sie auf dem Level des Roulettetischs, also auf dem 8.PLATZ. In Punkten war das eine Stimme Unterschied nach dem Komma. Für die zwei 8. Plätze gab es einen Notendurchschnitt von 1,75. Für den zehnten Platz gab es 1,76.

Nach der laaaaaangen Nummer 40 vom OCC, der repräsentiert ja auch ein langes Dorf, kam dann meine spontane Nummer 1: Die fleischfressenden Pflanzen fallen schon am Horizont auf. Und der Kommentatorin entschlüpft ein "Das ist Richtig cool. Um es vorweg zu nehmen: das wird sie an diesem Abend nicht mehr wiederholen. Für mich spielt die Gruppe Lösche(Gr. 41) inzwischen in einer Liga für sich. Es ist einfach eine geniale Idee mit der riesigen tragbaren Konstruktion, die man jedes Jahr einfach nur neu bezieht, hält man den Aufwand in einem vernünftigen Rahmen und kann trotzdem mit dem jedes Mal neuen „Überzug“ seine Kreativität in die Waagschale werfen. Auch diesmal wieder einzigartig. Aber vielleicht kritisiert die Jury ja das immer gleiche Grundgerüst? Am Ende wird es „nur“ PLATZ 2, mit einer Wertung von 1,24, während der Sieger 1,23 erhält, äußerst knapp. Sportlicherweise wird man damit leben können. Der Unterschied ist eine Zehntelnote eines einzelnen Jurymitglieds, das den Unterschied ausmachte. In den letzten Jahren war es ja oft das Zehntel zugunsten der Löschetruppe.

Nach diesem Hingucker kein Durchatmen. Da kommen mit der 44 die Pippi Langstrümpfe. Seeeehr süß ***** Auch sehr kongenial ihr Klein Häuschen. Ganz klar eine *****-Nummer für mich. PLATZ 13 kam heraus, eine der wenigen, aber dann auch knappen Abweichungen. Vielleicht spielte mit, dass ich aus der Truppe die eine oder andere "Pippi" kenne? Man ist halt auch nur ein Mensch und subjektiv.

Und da kommt mit der 46 schon wieder ein Hexe angeflogen! Sie haben richtig gehört: da flogen Hexen durch die Luft! „Beim gemeinsamen Anschauen in der Mediathek sagte mir einer vom Umzugsaktiv, der es also unmittelbar an der Straße gesehen hat: „die Hexenkostüme von der 33 und das Fluggerät von der 46 wären eine Nummer 1 gewesen. *****plus vergebe ich hier - vielleicht Platz 3, aber dafür kommen ja inzwischen schon einige in Frage. „Ich bin gespannt, wie das die Jury wertet,“ sagt Anja Köbel begeistert. - PLATZ 6 kam am Ende heraus.

Es kommen noch ganz gut „NSA und seine Wanzen“ aus Weißbach (52) und mit Obama, Merkel und Putin, dann die 55, wieder eine Laufgruppe – Hasen mit megafetten Möhren. Das sind, jetzt, da man schon das meiste gesehen hat, so „Um-Platz-20-Kandidaten“. - Richtig! Sah die Jury auch so.

Das jetzt noch was großartiges kommen würde, erwarte ich kaum. Zugucken in dieser Form ist auch anstrengend. Doch dann hauen mich die Kakerlaken (59) aus dem Bürodrehstuhl. „Die Kostüme sind alles selbst geschneidert,“ heißt es mit staunendem Unterton aus dem Lautsprecher. Da könnte es an der Spitze noch mal eng werden. Für die Plätze zwei bis vier gibt es jetzt schon mindestens fünf Anwärter. Lösche steht für mich immer noch drüber. Ich bin mir bewusst, dass das ärgerlich ist, wenn „immer die selben“ gewinnen. Aber es ist doch so: der beste soll auch gewinnen, oder? Gut ich entscheide mich: „das hier ist für mich 2.Platz. Loche ich jetzt mal so ein“. Die Jury votete die Gruppe auf 1., wie oben schon beschrieben.

Nicht unerwähnt bleiben soll Plessa. Die Vereine werden ja nicht mit gewertet und die meisten haben die anfangs schon beschriebenen, sich eben leider immer wiederholenden Formationen. Deshalb kommen sie auch nicht in die Wertung und das wissen sie auch. Besonders die hohen, geschlossenen Wagen sind für die Teilnehmer, die drauf sind, toll, für das Publikum aber eher nicht so und auch im Livestream kam da nicht so wirklich viel Unterhaltsames rüber. Da versteht man ein bißchen, dass damit auf Dauer im "richtigen Fernsehen" nicht so die Quote zu machen ist. 

Ausnahme Plessa. Wenn ihr es nicht glaubt, schaut es Euch an! Die interagieren mit dem Publikum, dass es eine helle Freude ist. Das ist gelebte Karnevalistik. Vielleicht habt ihre es nicht so gesehen, aber vor der Kamera haben die eine richtig tolle Show abgezogen! Aber noch nicht zu Ende war es mit den sehenswerten Nummern. Auch wenn schon die guten Plätze vergeben scheinen, die 61, der RaBu-Flughafen „DDAir“ soll fertig werden noch vor dem von Berlin. Den kompletten RCC-11er Rat schickten sie auf die Reise in einem ganz toll gemachten Flugzeug. „Schön gemacht, wirklich schön gemacht!“ ist aus dem Lautsprecher zu hören. 16.PLATZ scheint mir da doch zu wenig zu sein.

Aber es ist die einzige grobe Abweichung um Juryergebnis. Da muss ich wirklich einmal großen Respekt zollen. Übringens: jede Gruppe ist berechtigt, ein Mitglied in die Jury zu delegieren. Also mehr Gerechtigkeit geht da kaum. Für den einen oder anderen, der sich vielleicht benachteiligt fühlt, gilt auch schon wieder in der nächsten Woche: der Blick geht nach vorn. Vielleicht sind meine Erkenntnisse hier ja auch ein Ansporn, ein Tipp, was man besser machen kann. Die Links stehen in unserer Online-Ausgabe, auch zur Mediathek des MDR, wo man noch eine Weile den kompletten Umzug anschauen und vergleichen kann.

35.000 Zuschauer haben den Umzug mit 71 Festwagen an der Strecke gesehen, einige Tausend im Livestream und in der Mediathek. Die Zusammenarbeit mit dem Sender hat hervorragend geklappt und ich sehe darin einen guten Kompromiss für die Zukunft, vielleicht sieht es der RCC auch so, und vor allem auch jene, die aus den verschiedensten Gründen nicht beim Umzug dabei sein konnten. Erstaunlicherweise war der Umzug diesmal eher zu Ende als gedacht. Hier sind also erfolgreich einige Hemmnisse beseitigt worden. 16:15 Uhr erreichte die letzte Gruppe das Megazelt, gut eine dreiviertel Stunde früher als sonst. Es war der wahrscheinlich schnellste Umzug, seit diese Strecke gefahren wird. Dem Teilnehmer, der in Königsbrück mit dem Umzugswagen verunglückte und dessen Gruppe deshalb nicht in RaBu teilnehmen konnte, wünschen wir auf diesem Wege gute Besserung. Zum Glück sind Unfälle bei unseren Veranstaltungen höchst selten. Allen Helfern am Rande, dem Notarzt, den Sanitätern, der Feuerwehr, den Ordnern ein herzliches Dankeschön.

Also dann bis zum 11.11., 11:11 Uhr, wenn es wieder heißt In-Ra-in-RaBu!


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