750 Jahre Steinbach

Für 8 Mark lebenslänglich - eine Ortschronik

Fahrradverein: Vereinsvergnügen kostete 61 000 DM

Für 8 Mark lebenslänglich - eine Ortschronik

Um seine zänkische Schwester loszuwerden hatte man im Mittelalter ein probates Mittel. Man beförderte sie zur Dienerin Gottes - vorausgesetzt, man hatte das nötige Kleingeld dazu. Gerade mal 8 Mark mußte der Vikar Johann von Riesa dem Johanniterorden zu Meißen spenden, damit dieser seine Schwester Johanna auf Lebenszeit in seinem Gemäuer aufnähme. Allerdings darf man sich nicht täuschen. Die 8 Mark waren ein gerüttelt Maß. Eine Mark war ein 234 Gramm schweres Stück Silber und was es Wert war, sehen wir gleich. Für die 8 Mark kaufte das Meißnische Domkapitel "in etlichen Dörfern des Kreises" ordentlich ein, nämlich "je 31 Schöfe Hainisches Maß Roggen und Hafer in Steinbach, je 5 und ein Viertel Schof Roggen und Hafer des gleichen Maßes in Schönberg und je 10 Schöfe Meißnischen Maßes in Drogoschwitz."
So ist es belegt in einer Urkunde, die auf den 4. März 1250 datiert und zum ersten Mal den Ort Steinbach erwähnt. Die Urkunde liegt im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden, gedruckt im Codex diplomaticus Saxoniae II, Bd. 4, Nr. 9. Eine Verwechslung mit anderen Steinbachs scheint ausgeschlossen, weil in der Urkunde das Hainische Maß erwähnt wird, das Großenhainer Maß. Steinbach gehörte über viele Jahrhunderte immer mal wieder zu haynisch-großenhainischen Ämtern. Das Wort "Schof" steht im Mittelhochdeutschen für ein Gebäude, meist eine Scheune, die auf einer Seite offen ist, wurde hier aber als Mengenangabe verwendet. Schon zwischen (Großen)hain und Meißen scheint die Größe der Scheunen unterschiedlich gewesen zu sein, denn sonst hätte man nicht zwischen Meißnischem und (großen)hainischem Maß unterschieden. Zum Glück, denn sonst könnte man heute nicht sicher sein, ob wirklich unser Steinbach in der Urkunde erwähnt war. Ansonsten hätte das somit 750-jährige Steinbach glatt 111 Jahre verloren, denn die nächste Urkunde findet sich erst im Jahr 1361, als Markgraf Friedrich von Meißen, aus was für Gründen auch immer, einem Hermann Koraz "villam liberam Steynbach", also das "freie Dorf Steinbach" vermacht. Inwiefern das Dorf frei war, wenn es doch dem Markgrafen gehörte, bleibt unklar, zumal sich der Herrscher Zivil- und Militärgerichtsbarkeit sowie die Landbete (Grundsteuer) vorbehielt.
1250, das Jahr der ersten urkundlichen Erwähnung Steinbachs, lag in der Epoche, in der die Söhne Dshingis Khans bis nach Dänemark vordrangen, die Zeit der ersten Frankfurter Messe, die Zeit der Gründung der Hanse. Im Erzgebirge florierte der Silberbergbau. Die Kreuzritter verloren Jerusalem an die Muselmanen und die Schlacht auf dem Peipusee gegen die Russen. In Paris entstand die Notre Dame. Der Staufer-Kaiser Friedrich II, der Kaiser der Kreuzritter und des Minnesangs, der vom Papst mehrfach gebannt wurde und 1227 das Lehnsprinzip abgeschafft hatte, starb im selben Jahr in Italien.
Steinbach wechselt nun alle Nas' lang den Besitzer, denn so richtig froh scheint keiner damit zu werden. 1459 hat es der Nickel von Köckeritz (Köckritzteich nach diesem benannt), 1465 haben es "die von Schönfeld auf Naunhof", 1527 deren Erben - die von Miltitz zu Naunhof. 1547 verkaufen sie es dem Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen, jenen Kurfürsten, der Martin Luther zeitlebens unterstützte und der Reformation auf den Weg half. Der Zins wird jetzt "dem neuen Schlosse, izt Moritzburg genant" erbracht. Im selben jahr wurden Steinbach und Naunhof zu einer Kirchgemeinde zusammengeschlossen. Besonders fromm waren die Steinbacher jedoch nicht. Im Landeskirchenarchiv gibt es das Matrikel des Konsortiums Dresden von 1580. Dort beklagt sich der im selben Jahr nach Steinbach entsannte Pfarrer Blasius Tschumler, daß "die Pfarre, wie ihnen befohlen nicht bauen. Und ob sie schon etliche Stämme Holzes aus Gnaden von unserem gnädigen Herrn (Kurfürst) dazu geschenkt bekommen, lassen sie doch die abgehauenen Bäume liegen und in der Nässe verfaulen. Bittet den Bauern aufzuerlegen, dass die Pfarre möchte gebaut werden." Und in der Visitation (Besichtigung) der Superintentantur Großenhain aus den Jahren 1672 bis 75 heißt es gar aus der Pfarre Naunhof: "Die Undankbarkeit zu Gottes Wort nimmt sehr überhand, und will bei den Leuten keine Ermahnung helfen. Das Stehlen am Sonntag unter der Predigt ist sehr gemein (verbreitet), und das Spielen (Glücksspiel) im Vilial (Dorf) wird ohne Scheu getrieben. Des Nachts werden dem Pfarrherrn die Wiesen ausgehütet, und wird das Pfarrholz sehr gestohlen."
Vielleicht war die grobschlächtige Art der Steinbacher Bauern der Grund, der die Brüderanstalt Moritzburg im Jahre 1912 bewegte, auf Steinbacher Boden den "Heidehof" zu errichten, eine Handwerkerstation für schwer Erziehbare.

Noch mehr Interessantes aus der wechselvollen Geschichte Steinbachs gibt es zur Zeit in einer Ausstellung im Gemeindeamt Steinbach zu sehen. So zum Beispiel über Steinbachs Bergsteiger und Radsportler. Die Ausstellung ist zu den Sprechzeiten, Mittwochs von 15 bis 18 Uhr und ???? zu besichtigen.
Zu neuem Leben soll die Steinbacher Geschichte beim großen Festumzug am 9. Juli erweckt werden. Die Vorbereitungen dazu sind bereits im vollen Gange. In der kommenden Woche will das Vorbereitungskomitee tagen und die Umzugsbilder zusammenstellen. Großer Bedarf besteht nach wie vor an "Fußvolk", sagt Ortsvorsteher Bernd Bakowski. Hier sind nach wie vor Teilnahmemeldungen erwünscht, die bei den untenstehenden Adressen abgegeben werden können.
Am Pfingstsonntag findet ein Vogelschießen statt. Zunächst gibt es auf dem Festgelände von 10 bis 11.30 Uhr einen Festgottesdienst. Anschließen ist für ein warmes Mittagessen gesorgt. Ab 12.30 Uhr wird mit der Meldung der Schützen begonnen.

Klaus Kroemke

Vereinsvergnügen kostete 61 000 DM

Der auf Steinbacher Flur entspringende Hopfenbach verbindet sie: die Dörfer Steinbach, Naunhof, Lauterbach und Beiersdorf. Deshalb nennt sich der 1990 gegründete Radsportverein "Am Hopfenbach 1990 e.V." und stellt sich erklärtermaßen in die Traditionslinie des 1896 in Steinbach gegründeten Radfahrvereins "Blitz".
1896 ist ein sportlich bedeutsames Jahr. In Athen finden die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit mit 43 Disziplinen statt. Sie werden vom Initiator und neuen Präsidenten des IOC Baron Pierre de Coubertin eröffnet. Der olympische Gedanke bewirkt damals eine enorme Entfaltung des Breitensports in Europa und Nordamerika - und so erreicht er auch die Enthusiasten in Steinbach. Damals ist eine Ausweitung auf die nördlichen Nachbargemeinden natürlich noch nicht abzusehen und der 1898 behördlich registrierte Verein bleibt zunächst nur auf Steinbach konzentriert. Noch 1919 gibt es einen Beschluß, Ortsfremde nur aufzunehmen, wenn die Mitgliederzahl 40 nicht überschritten wird. Im Steinbach allerdings wird der Verein um die Jahrhundertwende zum Mittelpunkt dörflichen Lebens. 2- 4 Dorffeste werden jährlich organisiert, mit Vogelschießen, Preiskegeln und Tombola sowie einem Reigen der Radsportler. Der wirtschaftliche Aufschwung führt auch zu einem ausgeprägten geselligen Leben in jener Zeit. Aber der Weltkrieg beendet diese Entwicklung jäh. In den Kriegsjahren wird zwar weiter trainiert, aber es gibt nur noch sporadisch Zusammenkünfte der Sportler. Erst 1919 wird der Verein wiederbelebt und neue Mitglieder werden aufgenommen. Dennoch fehlt der Schwung der Anfangsjahre und so ist die Beschränkung für Auswärtige eigentlich eher so herum zu verstehen, daß man sich mit diesen durchaus verstärken möchte, ohne jedoch die eigenen sportlichen Betätigungsmöglichkeiten zu gefährden.
1920 werden in der Chronik Vereinsausfahrten mit dem Fahrrad festgehalten, z.B. am 15.5. nach der Talsperre Malter. Am Juni wird zum Jubiläumsvergnügen "25 Jahre Blitz Steinbach" Fahradkorso mit befreundeten Vereinen durch das Hopfenbachtal - von Steinbach nach Beiersdorf und zurück - veranstaltet. Ein Indiz, daß aus den benachbarten Dörfern jetzt schon Mitglieder zum Verein gestoßen sind. Die Veranstaltung steht sicher ganz im Zeichen VII. Olympischen Spiele in Antwerpen, auch wenn diese ohne deutsche Beteiligung in 154 Disziplinen ausgetragen werden. Star der Spiele ist der finnische Wunderläufer Paavo Nurmi mit drei Gold- und einer Silbermedaille.
Am 26.9. des gleichen Jahres veranstalten die Steinbacher noch ein Radrennen.

Bereits 1923 erreicht die Nachkriegskrise ihren Höhepunkt. Die Inflation in Deutschland vernichtet Finanzkapital binnen Tagen. Um einen US -Dollar zu bekommen muß man gegen Ende des Jahres 4 Billionen Mark hinblättern. In diese Zeit fällt ein protokolliertes Vereinsvergnügen mit Reigenfahren, Tanz und Lotterie. Zwar kostet der Eintritt schon satte 80,- DM, ein Tombola-Los, das vor einem Jahr noch für 50 Pfennige zu haben gewesen wäre, kostet 50,- DM. und die Veranstalter nehmen stolze 39 000 DM ein, aber auf Grund der kaum noch berechenbaren Geldentwertung stehen auf der Kostenseite plötzlich 61 000 DM. Der mühevoll angesparte Kassenbestand ist nichts mehr wert. Die rund 2 800 DM aus der Kasse sind ein Tropfen auf den heißen Stein. Um den Verlust auszugleichen müssen die Mitglieder des Vereins je 600 DM nachzahlen. Möglicherweise ist dort die Redewendung "ein teures Vergnügen" entstanden.
Die Vereinsversammlung im November des gleichen Jahres muß dann, bedingt durch die Notlage in einer Wohnung, bei Kurt Koitzsch, abgehalten werden - am 6. November ist dies, drei Tage vor Hitlers Putschversuch in München, der als "Marsch auf die Feldherrnhalle" in die Geschichte eingeht, aber in Wirklichkeit nach kurzem Scharmützel und mit Hitlers Verhalfung endet.

Danach geht es - auch in Steinbach und Umgebung wirtschaftlich aufwärts. Schon 1924 kann man im Vewein wieder gemeinsam Silvesterfeier feiern, 1926 vermerkt die Chronik allein im Zeitraum vom 14.3. bis 26.6. Einladungen von folgenden Vereinen: Jugendverein Bärnsdorf, Schützenverein Freitelsdorf, RV Oberau, RV Blochwitz, RV Skaup, RV Arnsdorf, RV Oberau, RV Schönborn. Das Vereinsleben ist ganz offensichtlich zu neuer Blüte erwacht. Auch für die Radsportler als Verkehrsteilnehmer ist das Jahr 1926 ein bedeutendes: in Deutschland werden die ersten Verkehrsampeln aufgestellt und man hat sich mit entsprechenden Änderungen der Straßenverkehrsordnung zu befassen. Das Vereinsleben floriert, bis am 29.10.1929 mit dem Crash an der Walstreet die Wertwirtschaftskrise ausgelöst hat. Erst 1932/33 beginnt erneut ein Aufschwung, was sich in der Steinbacher Chronik 1933 in einem Räderkauf des Vereins widerspiegelt. 1934 im Juli wird die Einheitssatzung des Deutschen Radfahrerbundes übernommen. Das Vereinsleben in Deutschland wird "durchorganisiert". Am 2.8. des selben Jahres stirbt Hindenburg und noch am gleichen Tag läßt Adolf Hitler die Wehrmacht auf sich selbst vereidigen und sich mit dem Titel "Führer und Reichskanzler" als Staatsoberhaupt vom Reichstag bestätigen. Das totalitäre 3. Reich ist errichtet. Dies spiegelt sich auch darin wider, daß es1935 zum Wechsel des Vorsitzenden kam - einziger Grund: er muß Parteigenosse sein. Vermerkt sind außerdem erste Radballspiele in Radeburg und die Gründung einer Jugendmannschaft. 1936 steht ganz im Zeichen der Olympischen Spiele in Berlin. Erstmals werden die Spiele mit aufwendiger Technik im Fernsehen live übertragen. Die Sportchronik der steinbacher vermerkt einen ersten "Einradreigen" - diese sportliche Disziplin wird aber keine Zukunft haben. 1937 verläßt der Verein erstmals Steinbach und zieht im April nach Bärwalde um. Damit beginnt eine unstete Zeit, auch dokumentiert durch einen Beschluß, den Schießsport ausbauen und dafür Räder zu verkaufen. Trotz anderer Auffassungen von Vereinsmitgliedern wird am neuen Standort im Oktober Vereinsmeisterschaften im Schießen durchgeführt.
Zwei Jahre später, am 1. September 1939, beginnt der 2. Weltkrieg. Die Steinbacher Sportchronik vermerkt: "November: die Sportler haben kein Interesse mehr am Schießsport."
1940, Deutschland erobert halb Europa ist man im Februar zu Radballwettkämpfen in Dresden.
1941 gibt es im Februar ein letztes Vereinsvergnügen im Februar. Im August erreicht der Krieg die Steinbacher Sportler ganz persönlich: eine Trauerfeier ist vermerkt "für den gefallenen Vereinskameraden Kurt Schneider". Doch noch bis Dezember dauert die deutsche Offensive in der Sowjetunion. Daß sich das Blatt des Krieges wendet, wird dank Göbbelscher Medienpolitik Heimatland kaum wahrgenommen.
Als am 22.11. 1942 die Vereinsmeisterschaften im Radball in Bärwalde stattfinden, ist bei Stalingrad die 6. Armee eingekesselt, auch viele Männer aus unserer Region darunter.
Am 18. Februar 1943 ruft Goebbels den totalen Krieg aus. Deutschland ist dabei den Krieg zu verlieren. Die materiellen Resourcen gehen zur Neige. Was das für den Sport heißt, zeigt sich auch in einer Mitteilung vom 7.8., in der aufgefordert wird, daß "jeder Sportkamerad seine Saalmaschine mit nach Hause nehmen muß, falls der Saal in Bärwalde geschlossen wird."
Dies ist die überhaupt letzte Verlautbarung der Vereinsführung. Der Krieg dauert noch eineinhalb Jahre.

Im September 1945 wird bereits wieder ein neuer Anfang im Radsport gemacht. Diesmal ist Naunhof der Ausgangspunkt, jedoch bereits im Juni 1946 zieht der Verein mit 34 Mitgliedern wieder nach Steinbach um. Im Juni 1947 gibt es das erste Radballturnier in Meißen, wo Steinbach gegen Weinböhla 6:2 gewinnt. Unter dem Banner der gerade gegründeten FDJ nimmt die Jugend-Radsportgruppe Steinbach in Bärwalde an einem Turnier teil - mit überragenden Ergebnissen: Radeburg 1 wird von Steinbach 1 mit 3:16, besiegt und Radeburg 2 unterliegt Steinbach 2 mit 3:6.
Ab1948 gehören die Radsportler zur SG Naunhof, trainieren aber bis 1952 weiter in Steinbach. Der baldige Neubeginn und fleißiges Training zahlen sich bereits 1951 aus: die 1. Radball-Mannschaft der SG Naunhof wird in Zwickau Sachsenmeister. Um die Bedeutung dieses Titels richtig einordnen zu können: In den 50er Jahren herrscht in der gerade gegründeten DDR eine große Radsportbegeisterung. Noch im gleichen Jahr, am 1. Juli, veranstaltet die SG Naunhof das erste Radrennen nach dem Krieg. Damit ist das sportliche Leben an den Hopfenbach zurückgekehrt.
Im Juni1955 wird anläßlich 10-jährigen Bestehens der Sportgemeinschaft ein Radrennen veranstaltet. Hier ist die Stimmung auf einem ganz besonderen Höhepunkt, denn nach dem Mannschaftssieg 1952 hatte Gustav-Adolf Schur im Mai 1955 als erster Deutscher die Friedensfahrt Prag - Warschau gewonnen.
Am 7./8. Oktober 1961 gibt es noch einmal eine Sternstunde des Steinbach-Naundorfer Radsports: die 1. Radball-Jugendmannschaft der SG Naunhof wird Deutscher Jugendmeister.
Danach, vor allem weil die DDR-Sportförderung schwerpuinktmäßig nur olympische Disziplinen fördert, verliert der Radball ganz im Gegensatz zum Straßenradsport, an Bedeutung und das große öffentliche Interesse. In Lauterbach wird dennoch weiter Radball gespielt und trainiert - bis heute.

Klaus Kroemke

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