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Ich verstehe dich, ich ermutige dich, ich unterstütze dichBarock heute - Vinisage einer umstrittenen Ausstellung |
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Auf der einen Seite ist der Kunstmarkt in Deutschland. Der ist unter etwa 10 000 Künstlern aufgeteilt und hat seine elitäre Käuferschicht, die mit ihrem Geschmack bestimmt, was gut und was schlecht ist. Die übrigen Künstler, die in den hehren Kreis nicht gelangen können, verdingen sich als Maurer, Gelegenheitsarbeiter, Pförtner... oder sie machen sich Gedanken, wie man ohne sich zu verbiegen, aus dieser Situation heraus kommen könnte. So wie Jens Herrmann (Dresden) und Andreas Paeslack (Berlin), die sich sagten, man müsse dann eben wo hingehen, wo der Kunstmarkt nicht ist und erinnerten sich an einen ganz ursprünglichen Sinn der Kunst, nämlich für die Leute da zu sein und mit ihnen und aus ihnen zu wachsen.
Sie kamen auf Moritzburg mit seinem Barock und unter dem Thema "Barock heute" wollten sie die Mitmenschen, die hier mit dem Barock leben, dazu herausfordern, sich mit dem Thema selbst künstlerisch auseinanderzusetzen.
Mit diesem Ansinnen standen sie eines Tages vor Bürgermeister Reitz und "wer kann den Künstlern eine Chance geben, wenn nicht wir," resümierte Reitz, der sich sofort mit Frau Möbius in Verbindung setzte, die ihrerseits auch bereit war, im Schloß Raum zur Verfügung zu stellen.
Am Ende wurde wirklich ganz Moritzburg einbezogen. Mit Hilfe der Schlosserei Funke und Bauhofleiter Bakowski entstand das große schwarze Pferd am Ortseingang aus Richtung Radeburg, das im Stil des schwarzen andalusischen Stiers (wie er z.B. im Hotel SPANISCHER HOF in Gröditz zu sehen ist) die "Art der Region" als Zentrum des Pferdesports symbolisiert.
Der Herausforderung der Künstler folgten weitere Moritzburger, die in Plastiken ihre tägliche Umgebung darstellten. Und zwar richtig gut. So z.B. Ludwig Rößler den Rüdenhof, KatharinaMerkel das Pfarrhaus, Frau Kirchner die Moritzburger Kirche und Robert Ehlert den Moritzburger Leuchtturm, die bei der Vinisage, der Abschlußveranstaltung der Ausstellung am Freitag, dem 27. Oktober, im Schloß ausgezeichnet wurden. Den Hauptpreis erhielten Thomas Müller und Klaus Schiemann vom Restaurant und Café Schloß Moritzburg, die ihr eigenes Domizil mit "eigenen Mitteln" darstellten - das Schloß aus Marzipan, Teig und Zuckerguß.
Das Experiment war mutig und die Resonanz groß. Allein 15 Presseartikel (das ist jetzt der 16.) beschäftigten sich mit der Ausstellung. Genauso groß war aber darin der Aufschrei und das Entsetzen des Etablissements. Durchaus erwartet und gewollt, denn die Kunstszene duldet keine andere Kunst neben sich. Ablehnung, Unverständnis und Distanz aber auch bei Besuchern des Schlosses. Nach einer stark besuchten Eröffnung war die Resonanz am Ende nur noch gering.
"Die Besucher kamen wegen des Schlosses und nicht wegen der Ausstellung. Wir wollten ja die Kunst dort hinbringen, wo die Leute hingehen," erklärte Jens Herrmann gegenüber "Radeburger Anzeiger", "aber die Leute kommen mit einer bestimmten Erwartungshaltung hier her und sie haben uns nicht erwartet. Insofern hätte man die Besucher besser darauf einstellen sollen."
Dem kann man sich nur anschließen. Zwar wurde das Führungspersonal umfangreich geschult, aber die Ausstellung blieb bei den Führungen nur ein Thema am Rande, nur eine Erwähnung und so blieb die Ausstellung selbst für so manchen Besucher ein Fremdkörper.
Das Verhältnis zu dieser Art der Ausstellung erklärte Frau Möbius so: "Man hat die Freiheit, daran vorbeizugehen, und man hat die Freiheit zu sagen: Das lehne ich ab. Oder man kann sagen: das macht mir auch Spaß und kann dem Künstler Stück um Stück entgegengehen: ich verstehe dich, ich ermutige dich, ich unterstütze dich."
Stein des Anstoßes waren für viele Gäste vor allem die am Schloßdamm treibenden aufgeblasenen Moritzburger Luftschlösser, deren Symbolik ein vom Künstler wohl nicht so gewolltes Eigenleben entwickelte. Die Luftschlösser verloren nämlich ihre Luft und annoncierten uns "untergehendes Barock". Wenn schon nicht gewollt, so war dies nicht die schlechteste Aussage, denn wer mit dem Schloß gelegentlich zu tun hat, weiß, wie gefährdet die Bausubstanz und die in ihr beherbergten Schätze sind.
Ein teilweise kritisches, selbst ein zum überwiegenden Teil kritisches Echo ist jedoch allemal besser als teilnahmslose Gleichgültigkeit. In einem halben Jahr so viel Presseecho kriegt man sonst nur selten. Moritzburg war in diesem Zusammenhang in vieler Munde. Für Veranstalter, Gemeinde und Schloßverwaltung eine Ermutigung. Sie sind sich inzwischen einig, daß man im nächsten Jahr wieder ein solches Experiment wagen will.
Klaus Kroemke